Arbeitsfelder
Die Arbeitsfelder sind sowohl als eigenständige als auch als sich gegenseitig ergänzende Themenfelder zu verstehen und werden mitunter gemeinsam diskutiert und erforscht
Modernisms and Modernities
arbeitet an der kritischen Untersuchung der Begriffe und ästhetischen Kategorien des "Modernen" ebenso wie des "Zeitgenössischen" in der Kunst.
Methodisch sind sowohl die kritische Auseinandersetzung mit der Disziplin als auch die Auseinandersetzung mit ihren verschiedenen historischen, theoretischen und künstlerischen Transformationen von Bedeutung. Ein solcher Ansatz erfordert eine Neukonfiguration des Begriffs der Theorie. Dementsprechend werden Modernen und Modernitäten bewusst im Plural diskutiert. Somit werden in der historischen Analyse der Moderne der Begriff der "Epochenschwellen" (Cornelia Klinger, 1995) und auch die "Kaskaden der Modernisierung" (Hans-Ulrich Gumbrecht, 2002) explizit auf ihre Aktualität untersucht.
In den letzten Jahren haben die globale Kunstgeschichte sowie die postkoloniale und poststrukturalistische Theorie zu einer selbstreflexiven Diversifizierung der kunsthistorischen Bemühungen beigetragen. Diese Auswirkungen ermöglichten eine diskursive Verschiebung früherer Vorstellungen von Modernismen, Modernitäten und der ihnen innewohnenden epistemologischen Gewalt, die neue Konzepte und Neudefinitionen von Begriffen erforderten.
Stuart Hall untersucht in seinen Aufsätzen "The West and the Rest - Discourse and Power" die Rolle, die Gesellschaften außerhalb Europas in diesem Prozess spielten. Er untersucht, wie sich eine Vorstellung von "the West and the Rest" konstituierte und wie die Beziehungen zwischen westlichen und nicht-westlichen Gesellschaften dargestellt wurden. Dabei stellt Hall fest, dass "the West" eher eine Idee als eine geografische Tatsache ist, daher ist "the West" ein historisches und kein geografisches Konstrukt. Er kommt zu dem Schluss, dass die Bedeutung des Begriffs praktisch identisch mit "modern" ist. Darüber hinaus nimmt der Kurator Okwui Enwezor eine kritische Haltung gegenüber der Idee der Nähe zu "the West" als paradigmatische Interpretation der nicht-westlichen Moderne ein, da diese Idee zur Entpolitisierung und Dekontextualisierung der Kunstproduktion beiträgt. Stattdessen schlägt Enwezor eine "postcolonial response" auf die entstehenden Felder globaler Modernismen vor, denn "in its discursive proximity to Western modes of thought, postcolonial theory transforms this dissent into an enabling agent of historical transformation and thus is able to expose certain Western epistemological limits and contradictions." (Okwui Enwezor, Manifesta Journal, 2002, S. 113)
Der Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich somit sowohl mit dem "Westen" als Konzept als auch mit den Austauschprozessen und Interferenzen zwischen Europa und Nordamerika, sowie den transkontinentalen Verbindungen in der Kunstgeschichte.
Die gegenwärtige politische, soziale, rechtliche und kulturelle Situation Europas und die Positionierung Europas im globalen Zusammenhang finden in den Künsten der Gegenwart besondere Aufmerksamkeit. In der Kunstgeschichtsschreibung wird dieser Tatbestand durch eine kritische Kunstwissenschaft fachimmanent diskutiert und der markante Eurozentrismus der Kunstgeschichtsschreibung einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen.
Fragestellungen der Migration, des "zu Hause" und der Identitäten sind zentrale Themen in Europa. Es ergeben sich Spannungen zwischen Einheit und Spaltung. Diese Fragestellungen werden durch die Künste auf interessante Art und Weise durchgespielt und von verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet. Im Themenfeld Europa, der kritischen Reflexion des Eurozentrismus und dem "westlichen Blick" ergibt sich der interessante Schwerpunkt von Süd-Ost-Europa.
Ebenso wird dem Kunstgeschehen in Nordamerika besondere Dominanz zugeschrieben, hier auch in der Verbindung und Abgrenzung zu Europa, sowohl historisch als auch gegenwärtig. In diesen Vorstellungen sind jedoch explizite Gründungsmythen enthalten, die den Eurozentrismus der Kunstgeschichtsschreibung genauso weiterführen, wie die Dominanz Nordamerikas unhinterfragt übernommen wird. Genau diese Narrative müssen untersucht und kritisch reflektiert werden. Explizit in diesem Themenfeld schreiben sich grundlegende Fragestellungen der Kunstgeschichtsschreibung ein und das Fach selbst wird in historischer Analyse und hinsichtlich der Einschreibung von Diskursen kritisch erforscht.
Zusätzlich sind Themenfelder von Identitäten oder Nation auch in Nordamerika von besonderer Bedeutung und sind im Gegensatz zu Europa anders zu fassen. Hierbei gilt es aus der Gegenwartsperspektive divergente Narrative in den Blick zu nehmen und explizit entgegen dem Einheitsmythos und festgeschriebener Narrative zu arbeiten und zu forschen.
Angesichts der Globalisierung müssen wir die Konzepte der Moderne neu überdenken; die "klassische" und jede statische Konzeptualisierung der Moderne ist für eine tiefer gehende Untersuchung der modernen Kunstgeschichte unzureichend. Daher ist es notwendig, über theoretische Konzepte der Moderne nachzudenken, die uns helfen können, die Komplexität und Vielfalt der modernen und zeitgenössischen Kunst zu berücksichtigen. Wir möchten diskursive Verschiebungen, historische Erfahrungen und alternative Beschreibungen von Modernismen und Modernitäten untersuchen.
Kunst und Politik
widmet sich der methodisch-kritischen Reflexion einer eurozentrisch geprägten Kunstgeschichte und versucht sich kritisch mit der kolonialgeprägten Geschichte des eigenen Fachs auseinanderzusetzen,
um ausgehend von einer postkolonialen Kunstgeschichte Methoden der Dekolonialisierung zu entwickeln.
Seit den frühen 2000ern werden in der Forschung zur globalen Kunstgeschichte theoretische Konzepte und mögliche Wege zur Erweiterung des Fachs diskutiert und erforscht. Beispielsweise verweist James Elkins berühmte Frage "Is Art History Global?" (2006) darauf, dass die Grenzen einer eurozentrisch verwurzelten Kunstgeschichte kritisch befragt wurden. Durch die weitere Etablierung der globalen Kunstgeschichte wurden verschiedene theoretische Grundlagen eingeführt, um methodische Zugänge für die Erforschung nicht-westlicher moderner und zeitgenössischer Kunst zu entwickeln. Die globalen Ansätze in der Kunstgeschichte basieren oftmals auf transkulturellen Konzepten von globalen Modernen und „entangles histories“, wie beispielsweise transnationaler Wissenstransfer, Migration von Formen und Diskursen und deren Interaktion mit lokalen Bedingungen während der Dekolonisierung. (Monica Juneja, Christian Kravagna, Kobena Mercer, etc.)
Globale Kunstgeschichte ist auch für die Erforschung moderner Kunst aus dem Iran eine zentrale methodische Herangehensweise. Die transkulturelle Moderne spiegelt sich in der iranischen modernen Kunst wider, in der Prozesse der Begegnung, lokalen Übersetzung und Adaption die künstlerische Produktion entscheidend geprägt haben. Eine transkulturelle Perspektive auf die iranische moderne Kunst der trägt dazu bei, nicht nur nationalistische Kunsthistoriographien, sondern auch binäre Trennungen zwischen Lokalem und Globalem zu hinterfragen.
Zwar könnte diese Kunst aus einer regionalen Sicht Teil der islamischen Kunstgeschichte sein, einer Disziplin, die sich mit der künstlerischen und kulturellen Produktion im Nahen Osten im weiteren Sinne beschäftigt. Jedoch finden Kunstproduktionen aus dem 20. und 21. Jahrhundert aus den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens nur selten Eingang in islamische Kunstgeschichten. Die Disziplin der islamischen Kunstgeschichte entwickelte sich aus orientalistischen und kolonialistischen Strategien der Wissensproduktion über das signifikant „Andere“ des Westens. Es wurde ein Kanon erschaffen, der Kunstproduktion seit Beginn des Islams umfasst, jedoch um 1800 endet und die Moderne ausschließt. Finbarr Barry Flood zeigte auf, dass die ideologischen Implikationen der Produktion islamischer Kunst ein imaginäres goldenes Zeitalter der vor der Modernisierung hervorbrachten und somit neokonservative Diskurse bestätigen, welche die anhaltenden politischen Auswirkungen des westlichen Kolonialismus und Imperialismus auf die Region vernachlässigen. Gleichzeitig führt das Fehlen dieser modernen Kunstgeschichte auch dazu, dass moderne und zeitgenössische Kunst aus der Region oftmals in einem historischen Vakuum rezipiert und verortet wird.
Stetige Migrationen haben innerhalb künstlerischer Netzwerke afrikanischer Künstler:innen zu neuen Diskursen zwischen den Diaspora-Künstlerinnen und -künstlern und jenen auf dem Kontinent geführt. So werden, ausgelöst durch die konstante Bewegung und Ortswechsel von Menschen, als gegeben gedachte Identitätskategorien, neu verhandelt und kritisch diskutiert. Okwui Enwezor sieht in diesem Zwischenraum eine kosmopolitische afrikanische Identität, die global und transnational ist und kulturelle Grenzen überschreitet.
In ihren Auffassungen des Begriffs der afrikanischen Diaspora beziehen sowohl Stuart Hall und Kobena Mercer als auch Paul Gilroy, den transatlantischen Austausch als zentrale Gegebenheit mit ein. Mit seinem diasporischen Modell der Kritik, das einen besonderen Fokus auf kulturübergreifende ästhetische Strategien legt, diskutiert Kobena Mercer die kulturellen und politischen Zusammenhänge, die die Kunst afroamerikanischer und schwarzer britischer Künstler:innen umgibt und betont so eine Neufassung der globalen zeitgenössischen Kunst sowie der Geschichte der Moderne selbst. In seinem Buch “The Black Atlantic: Modernity and Double Consciousness” aus dem Jahr 1993 greift Paul Gilroy auf den Begriff Black Atlantic zurück, um den Austausch zwischen schwarzen Kulturen um den Atlantik zu untersuchen und damit kulturelle Hybridität zu diskutieren. Der Black Atlantic beschreibt einen transnationalen Raum des Austauschs, der in diesem Arbeitsfeld als theoretischer Rahmen mitberücksichtigt wird. Stuart Hall entwickelt, in Anlehnung an Gilroy, in seinem theoretischen Ansatz ein postkoloniales Diasporakonzept und betont Heterogenität und Vielfalt innerhalb jener und diskutiert gleichzeitig Hierarchien in postkolonialen Kulturen.
Die Fragestellungen postkolonialer Theorie und Kunst, nach den kulturellen Hinterlassenschaften und Folgen des Kolonialismus sowie die Infragestellung nationaler und kultureller Identitäten, sollen in diesem Arbeitsfeld produktiv genutzt werden, im Sinne eines dynamischen Kulturbergriffs, um etwa den kritischen Blick auf stereotypisierende Bilder, die auf kolonialistische und imperialistische Hintergründe zurückzuführen sind, zu schärfen und gleichzeitig Aspekte wie strukturelle Ausgrenzung und Unterdrückung zu beleuchten.
Eco Criticism und die Wissenschaftsgeschichte der Kunst und Kunstgeschichte
beschäftigt sich mit den global sehr aktuellen Themen der Gegenwart im Hinblick auf politische Verantwortung und politisches Handeln im Kontext von Umwelt mit dem Fokus auf
politische Verantwortung, Ökologie, Umweltgerechtigkeit, Anthropozän, Klimawandel, Ressourcen und Nachhaltigkeit. Damit nimmt dieser Schwerpunkt explizit Bezug auf das langjährige, internationale Projekt Naturally Hypernatural, das sich in unterschiedlichen Ausrichtungen und Schwerpunkten mit unterschiedlichen Konzepten von Natur und Umwelt in der Moderne und Gegenwartskunst und -kultur auseinandersetzen.
Aktuelle Tendenzen der Gegenwartskunst künden seit einiger Zeit von einer „Wiederentdeckung“ der Natur und ihrer Bedeutung für die Kunst. In der Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen geht es zum einen darum, die ihnen zugrunde liegenden Konzepte von Natur aufzuzeigen. Wo liegen ihre historischen Wurzeln, wie haben sich Verhaltensweisen und Wahrnehmungsmuster über die Epochen hinweg entwickelt und welchen Anteil an diesen Naturkonzepten hat die Kunst? Wie lässt sich das Verhältnis von Artifizialität und Natürlichkeit im Sinne einer Ästhetik der Natur fassen? Zum anderen geht es darum sich mit den Vorzeichen einer „Phänomenologie der Natur“ und mit dem sinnlichen Zugang zur Natur zu beschäftigen. Dabei soll der anthropozentrische Ansatz, wie ihn beispielsweise Hartmut Böhme vertritt, im Sinne einer „biologischen Phänomenologie“ erweitert werden. Dementsprechend wird nicht mehr zwischen einem beobachteten
(Natur-)Phänomen und dem Beobachter unterschieden, sondern beide als Teil eines Gesamtprozesses verstanden. Der Prozess der Wahrnehmung kann ebenso wenig vom ‚wie‘ der Wahrnehmung getrennt werden, wie von der Struktur des Wahrgenommenen, deren Teil der Wahrnehmende selbst ist.
Die Forschung beschäftigt sich auch mit dem Thema des Eco Criticism und wie dieser in der Gegenwartskunst angewendet und umgesetzt, sowie in der Kunstgeschichtsschreibung behandelt wird. Im Sinne der Interdisziplinarität kann hierbei in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen verschiedenster Disziplinen gemeinsam mit Künstler:innen an diesen Themen gearbeitet werden. Kunst kann hierbei eine bedeutende Vermittlerrolle einnehmen, beziehungsweise Sichtweisen zur Aufklärung und Aufmerksamkeit eröffnen. Es werden dabei ökologische Aspekte der Gesellschaft und Gegenwart sowie das Anthropozän untersucht und erforscht.
Der Schwerpunkt widmet sich auch einer Wissensgeschichte der Künste mit Blick sowohl auf die Genese ihrer Episteme und Methoden als auch dem direkten Austausch und Transfer zwischen Künsten und anderen Wissenssystemen. Da der Schwerpunkt das spezifische Wissen der Künste adressiert, wird nicht nur über künstlerische Verfahren, Medien und Techniken und das mit ihnen verbundene Wissen, sondern – jeweils zu konkreten Themenstellungen – auch immer wieder direkt mit Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Kurator:innen gearbeitet, durchaus mit dem Ziel, die entstehenden Austauschprozesse in statu nascendi beobachten und analysieren zu können, um eine methodologische und systematische Geschichte der künstlerischen Praxis und Theorie sowie des künstlerischen Wissens der Gegenwart zu erarbeiten.
Wie schon Wittgenstein feststellte, haben auch die Künste etwas zu lehren, woraus zu schließen ist, dass Kunst auch Wissen beinhalten muss. Daraus ergibt sich die Frage, wie von Kunst als spezifischer Wissensproduktion gesprochen werden kann? Darüber hinaus steht Kunst als Wissensproduktion im Mittelpunkt einer laufenden Auseinandersetzung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Relevanz für die Organisation von Wissen, Kultur und Leben. Diese Debatte entpuppt sich als ein Wettbewerb darüber, wer die bessere Position bei der Klärung dessen hat, was wir wissen, warum wir es wissen, wo diese Wissensproduktion stattfindet und wie sie beschreibbar ist.
Wichtige methodische Zugänge, welche die Fragen der Wissensproduktion in der Kunst beschreiben, entwickeln sich aus neuen Ansätzen, die sich in den Arbeiten von Alva Noë und Graham Harman finden lassen. Noës Ansatz kombiniert philosophische Forschung und Kunst, um „strange tools“ zu entwickeln - neue Methoden, Techniken und Verbreitungsstrukturen, die die Wissensproduktion in den Künsten erfassen würden. Die Künste sind für Graham Harmans Arbeit von wesentlicher Bedeutung, da diese Objektontologien Wissen außerhalb des wissenschaftlichen Paradigmas bilden.
Die Prozesse und Produkte künstlerischer Bemühungen werden als eine Art Untersuchung verstanden, die das Wissen der Gesellschaft erheblich prägt. Diese Änderung des Status der Kunst von einer deskriptiveren, ästhetisierenden Aktivität zu einer analytischen, experimentellen Untersuchung, zeigt sich insbesondere in Technologien und Forschungszweigen, die derzeit stark diskutiert werden. Kunstwerke werden heute als Laborexperiment oder Untersuchungen des Zustandes und der Verantwortung eines Subjekts verstanden, für das die künstlerischen Arbeiten zu Systemen der Erfahrungen und Selbstbeobachtungen werden. Kunstwerke als solche werden daher als Wahrnehmungsmodelle angesehen, in denen die künstlerische Absicht die spezifischen Bedingungen zwischen einem Individuum und der ihm umgebenden Situation untersucht.
Der Schwerpunkt fokussiert sich auch auf ausgewählte Momente in der Geschichte der Wissensproduktion in den Künsten. Hierzu zählt die Untersuchung des Wissenstransfers zwischen Kunst und Wissensproduktion ab der Mitte des 20. Jahrhunderts unter Berücksichtigung der parallelen Entwicklung der Medientechnologien. Ein besonderer Fokus liegt hier in der Forschung zu CalArts und dem Black Mountain College. Konkret wird die historische Bedeutung des Black Mountain College und des CalArts in der Wissensproduktion der Künste untersucht.