Zitat, Pastiche, Montage sind seit jeher künstlerisch-ästhetische Verfahren in der abendländischen Kunstmusik. Ob in den Parodiemessen der Renaissance, in den barocken Pasticcio-Opern Georg Friedrich Händels oder im Weihnachtsoratorium von Bach, eigene oder Werke anderer Komponisten zu bearbeiten, revidieren oder weiter zu komponieren, gilt nicht als Makel. Erst mit dem Aufkommen des romantischen Kunstideals vom Originalgenie ist es zunehmend verpönt, musikalisches Material zu appropriieren, in welcher Form auch immer. Auch in Pop und Jazz ist Aneignung weit verbreitet. Keine Innovation ohne Sampling, Cover-Versionen, Remixes und neue Arrangements. Im Fokus des Vortrags steht die musikalische Aneignung in der Neuen Musik sowie im Pop und Jazz ab den 2000er Jahren. Aus dem Blickwinkel der Appropriation Art, einer Kunstströmung, die Ende der 1970er Jahre in den USA entstanden ist, und verschiedener Künstler:innen, die von der Appropriation Art beeinflusst sind bzw. ähnliche Konzepte verfolgen, wird Musik von Bernhard Lang, Lady Gaga, Danger Mouse, Mostly Other People Do the Killing u. a. besprochen. Wie steht es um das Original? Ist nicht jede Wiederholung ein neues Original? Oder wie der Filmemacher Jim Jarmusch konstatiert: „Nothing is original. Steal from anywhere that resonates with inspiration or fuels your imagination.“
Michael Emanuel Bauer (*1974) ist Komponist und Musikwissenschaftler. Ästhetisch und konzeptuell steht er der Appropriation Art nahe. Bauer studierte Musikwissenschaft und Jazzpiano und promovierte in Musikwissenschaft. Er besuchte Kompositionskurse bei Karlheinz Stockhausen, Dieter Schnebel und Bernhard Lang. Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Fassbinder-Komponisten Peer Raben. Arbeiten u. a. auf den Wiener Festwochen, der Münchener Biennale, am Deutschen Theater Berlin, am Residenztheater, den Münchner Kammerspielen, am Staatsschauspiel Dresden, am Schauspielhaus Bochum, an der Neuköllner Oper Berlin, auf dem Kunstfest Weimar und den Festspielen Zürich sowie u. a. mit Nurkan Erpulat, Gesche Piening, Ulrich Rasche, Matthias Rebstock und Miriam Tscholl. Daneben schreibt er für Konzert, Hörspiel und Arthaus-Kino, ist Lehrbeauftragter in Bayreuth, Hildesheim, Osnabrück und Juror im International Antonín Dvořák Composition Competition. Bauer ist Träger des Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Musik der LH München. Publikationen zur zeitgenössischen Musik, Musiktheater und Popkultur u. a. bei Henschel, MusikTexte und Wolke.
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